"Wissenschaft und Religion" – kaum hatte ich das Thema eines Seminars einer jesuitischen Retraite bei mir in der Nähe gehört, hatte ich mich auch schon schon angemeldet. Vor fünfzehn Jahren wäre ich allerdings ebenso schnell vor einem solchen Thema geflüchtet. Dieser Post will also nicht verurteilen, sondern untersuchen, was so viele moderne Christen heute noch dazu bewegt, die Wissenschaft mit Leidenschaft abzulehnen.
Ich habe viele Jahre in einem christlichen Umfeld verbracht, das über die Wissenschaft ähnlich dachte wie über andere Religionen - etwas, das es zu retten gilt, wenn möglich, und zu bekämpfen, wenn nicht. Ein gutes Beispiel für das unglückliche Dilemma, in das diese Gruppen geraten sind, ist das verzweifelte Festhalten an der Vorstellung, dass die Welt etwa sechstausend Jahre alt ist (eine Zahl, die man erhält, wenn man das Alter der Familien und Stämme im Alten Testament seit Adam und Eva zusammenzählt). Und ich weiß, warum viele Menschen trotz überwältigender Beweise aus buchstäblich jedem Bereich der Wissenschaft immer noch an dieser Idee festhalten.
Während meiner Zeit mit diesen Gruppen von Christen war die häufigste Antwort, die wir wissenschaftlich orientierten Menschen gaben, "Euer Gott ist zu klein". Damit meinten wir, dass man Gott unterschätzt, wenn man sich nicht vorstellen kann, dass er Dinge außerhalb wissenschaftlicher Erklärungen erschaffen könnte (bis hin zur Erschaffung von Dingen, die nur Milliarden von Jahren alt zu sein scheinen ). Gott kann tun, was er will, und wenn in der Bibel steht, dass Er die Erde in sechs Tagen erschaffen hat, dann hat Er das auch getan. Es ist der Verstand der Wissenschaftler, der bei der Vorstellung von Gottes Fähigkeit, außerhalb wissenschaftlicher Fakten zu arbeiten, eingeschränkt ist.
Zugegebenermassen habe ich mich immer unwohl gefühlt, wenn ich über dieses Thema debattieren musste. Zum einen ist mein Vater Atomphysiker, und als ich aufwuchs, war die Wissenschaft eine Quelle positiven Staunens und Faszination für mich. Doch als ich mit sechzehn Jahren begann, Jesus nachzufolgen, schien die Wissenschaft plötzlich Fallen um meinen neu gefundenen Glauben herum zu stellen. Darwin wurde zum neuen Staatsfeind Nummer eins, dicht gefolgt von Steven Hawkins und anderen atheistischen Wissenschaftlern wie ihm.
Im Mittelpunkt all dieses Misstrauens und der Angst stand die Frage der Loyalität. Und ich glaube, es ist dieselbe Frage, die auch heute noch Millionen von aufrichtigen Menschen dazu bringt, ihre Mitmenschen zu verleumden, zu hassen und in einigen Fällen sogar zu töten. Denn wenn Sie mir sagen, dass ich mich zwischen Gott und der Wissenschaft entscheiden muss (oder zwischen Gott und einer anderen Religion, oder zwischen meinem Land und einem anderen, oder zwischen meiner Rasse und einer anderen), werde ich dem treu sein, was mir wichtig ist, und mich gegen das "Andere" wehren. Nichts ruft bei einem Menschen eine verbissenere, heftigere und unbarmherzigere Reaktion hervor, als wenn man ihn davon überzeugt hat, dass es nur zwei Seiten gibt, und er zwischen diesen Seiten wählen muss.
Ich persönlich empfand einen tiefen Verlust, als mein religiöser Glaube mich dazu zu zwingen schien, eine wissenschaftliche Tatsache zu verwerfen, die mich zuvor in Erstaunen versetzt hatte. Nicht nur wurde ich in eine unangenehme Ecke gedrängt, wenn ich mit jemandem außerhalb meines Kreises sprach, sondern es zwang mich auch, Wissenschaftler als unwissend zu bezeichnen bei Themen, über die sie viel mehr wussten als ich. Selbst für eine Sechzehnjährige (die natürlich so gut wie alles weiß) klang das nicht nach der besten Idee.
Heute verstehe ich, dass was mich beim wissenschaftlichen Lernen ins Staunen versetzte, natürlich dieselbe Wurzel hatte wie das Staunen, das ich beim Lernen über die Liebe, Vergebung und Schönheit Christi empfinde. Wenn wir uns nicht aktiv dagegen wehren, kann nichts, was von einem unendlich weisen, mächtigen und fürsorglichen Schöpfer geschaffen wurde, das menschliche Herz unberührt lassen.
Was ich nicht wusste, war, dass es nie nur zwei Möglichkeiten gibt. Wir leben in einer Welt der Unendlichkeit, nicht des Dualismus. Man kann Gott treu sein UND alle Erkenntnisse der seriösen Wissenschaft voll akzeptieren. An die Bibel als von Gott inspiriert glauben UND wissen, dass die Erde 4,543 Milliarden Jahre alt ist. Ein engagierter Anhänger Jesu sein UND Menschen anderer Religionen respektieren, lieben und von ihnen lernen. Tiefe ethische und moralische Werte haben UND dennoch Mitgefühl und Geduld gegenüber denjenigen zeigen, die unsere Werte verletzen. Man kann sogar neue Freiheiten finden UND immer noch versuchen, diejenigen zu verstehen, die in etwas feststecken, aus dem man entkommen ist.
Die Retraite im Jesuitenzentrum war einmalig. Der Referent, ein Physikprofessor der Georgia Tech Universität, ist ein tief spiritueller Mann mit einem erfrischenden Sinn für Humor. Wer ihm zuhörte, merkte, dass er selbst nach jahrzehntelanger akademischer Tätigkeit immer noch voll Staunen über alles ist, was er studierte und nun lehrt.
Eines der ersten Zitate, die Professor Cressler bei den Einkehrtagen vortrug, war:
Wissenschaft ist organisiertes Staunen.
Technik ist angewandtes Staunen.
Religion ist erlebtes Staunen.
Connor Johnson
Warum wird der Glaube eines solchen Mannes durch die Erkenntnisse, die er als Wissenschaftler gewinnt, nicht bedroht? Vielleicht, weil ein wissenschaftlicher Christ ein Verständnis von Gott braucht, das Raum zum Wachsen beinhaltet.. So wie sich die Wissenschaft weiterentwickelt, so wie unser Verständnis der Welt wächst, muss auch unser Verständnis von Gott wachsen dürfen. Damit meine ich nicht, dass wir Gott in unser neues wissenschaftliches Verständnis pressen. Vielmehr anerkennen wir, dass wir Gottes Größe nie je erfassen werden. Was wir neu entdecken mit der Wissenschaft, rückt einfach mehr von Gottes gewaltiger, bereits existierender Schöpfung ins Licht.
Jahrelang hatte ich den Glauben als etwas betrachtet, das man empfängt, und dann bewahrt (und natürlich weitergibt). Wenn wir von Wachstum sprachen, dann meist davon, die Wahrheit, die uns gegeben wurde, gründlicher kennen zu lernen. Wachstum in Bezug auf meine Bibel zum Beispiel bedeutete, mehr in ihr und über sie zu lesen und sie in meinem Herzen lebendig werden zu lassen.
Aber in dem Maße, in dem meine Angst nachlässt - die Angst vor dem Anderen, vor der dualistischen Wahl, vor der Bedrohung meines Weltbildes -, erwacht meine Neugierde wieder. Anstatt meinen Glauben zu konservieren, lade ich ihn ein, zu wachsen. Sich zu entfalten und zu vertiefen. Oder, im Beispiel von der Bibel: Ich bin nun bereit, sie im Licht der Weltgeschichte, von Kultur und Zeit, und sogar im Licht der Wissenschaft zu lesen. Natürlich wird dadurch einiges bedroht. Kann mein Glaube in diesem neuen Licht, in dem ich ihn sehe, standhalten? Werde ich mit dem Verlust einer spezifischen Gewissheit auch die anderen verlieren? Und was wird übrig bleiben?
Aber während ein sich weitender Glaube viele Gewissheiten und Dogmen verliert, erlaubt er gleichzeitig anderen Aspekten zu gedeihen: Aspekten wie Liebe, Mitgefühl und Staunen - und eine Hingabe an den Schöpfer all dieser gewaltigen Wahrheiten, die keine dualistische Weltanschauung jemals hätte hervorbringen können.
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